von Brigitte Bösken-Grimm, Kunsthistorikerin
Die Landschaften von Renate Sajnovits sind keineswegs reale Abbildungen des Vorgefundenen, sondern verweisen eher auf das Archetypische eines geographischen Gebietes. Zum Beispiel „Crete Sinesi“: mit sparsamen Mitteln hebt die Künstlerin das Charakteristische einer Landschaft hervor - der sanfte Schwung der Hügel, die ocker- bis umbrafarbenen Fassaden der Häuser genügen, um den Eindruck einer südlichen Landschaft wie der Toskana hervorzurufen. Ähnliches gilt für die Impressionen von Venedig. Als erstes wirkt die Farbe, gibt eine atmosphärische Stimmung wieder, bevor durch die skizzenhafte Binnenzeichnung der Ort konkretisiert wird.
Renate Sajnovits verliert sich jedoch nicht in romantischer Retrospektive. Den meisten ihrer neueren Bilder hat sie einen deutlichen Gegenwartsbezug verliehen, indem sie Luftaufnahmen in die Landschaften oder Stadtansichten eingearbeitet hat. Diese durchaus die Leinwand organisch strukturierenden Collagen sind erst bei näherer Betrachtung als solche zu erkennen, da sie sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen. Es sind stets die zu dem entsprechenden Ort gehörigen Ansichten aus größerer Höhe, so wie man sie bei klarer Sicht vielleicht beim Überfliegen wahrnehmen kann.
Auf beeindruckend Weise ist der Künstlerin die Synthese von Malerei und Collage bei der Ansicht der Marktstraße in Rüsselsheim gelungen. In der detailgenauen Darstellung der roten und silbernen Fassaden verrät sich die Architektin, die Renate Sajnovits von ihrer Ausbildung her ist, in der Gestaltung von Himmel und Straße und der subtil in das architektonische Gefüge eingepassten Collagen zeigt sich die Malerin. Auch hier entsprechen die Satellitenaufnahmen genau diesem Gebiet der Stadt. Die kleinteiligen Strukturen dieser Aufnahmen bewirken eine seltsame Irritation, es scheint als ob sich der Asphalt auflöste oder die Mauern des Opelgebäudes zu bröckeln begönnen, wenn sich diese Elemente über seine Fassade ergießen.
Renate Sajnovits Landschaften und Stadtansichten sind geprägt von Offenheit und Weite. Ihre Stadtansichten zeigen nicht die urbane Verdichtung des Lebensraumes, sondern den Moment der Öffnung zum Wasser hin, wo die Grenzen zur umgebenden Landschaft ins Fließen geraten. Licht und Luft erfüllt auch die Straßenflucht von Rüsselsheim, die sich im Vordergrund in schimmerndes Grau hinein verliert und am oberen Bildrand in lichte Weite öffnet. |